Fahrzeug-Rückhaltesysteme (FRS) werden in zugelassenen Prüfinstituten einer sogenannten EN 1317 Erstprüfung – auch Typprüfung genannt – unterzogen. Die dabei ermittelten Leistungseigenschaften werden in den jeweiligen Prüfberichten zertifiziert. Mit Blick auf die Randbedingungen in den EN 1317 Prüfungen stellt sich jedoch immer wieder die Frage, ob die Leistungen auch in die Praxis übertragbar sind.
Es liegt naturgemäß im Interesse aller FRS Hersteller, bei den EN 1317 Prüfungen “alles richtig zumachen”, mit anderen Worten, die Randbedingungen vor Ort ideal zu gestalten, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen.
Werden gebundene Unterlagen (z.B. Asphalt oder Beton) verwendet, müssen für diese Installationen sämtliche Dokumente (z.B. Lieferscheine, Eignungsprüfungen, etc.) bereitgestellt werden; mit dieser Forderung werden die Randbedingungen für eine Installation im Prüfinstitut maximal verifiziert. Gleiches gilt für eine Installation in der Praxis, ein Fundament (eine Unterlage) aus Asphalt oder Beton wird im jeweiligen Herstellungsprozess durch ein sehr dichtes Netz an Normen und Prüfungen begleitet und im Ergebnis sichert dies eine Übertragbarkeit der EN 1317 Leistungen in die jeweiligen Praxis-Installationen. Ortbetonschutzwände (BSWO) müssen zusätzlich die Anforderungen der Überwachungsklasse 2 erfüllen, hier überprüft ein weiteres externes akkreditiertes Prüfinstitut die Eigenüberwachung der Herstellungsbetriebe für jede hergestellte BSWO.
Werden FRS im Baugrund installiert oder verankert (Schutzplanken-Systeme oder Betonschutzwände in Fertigteilbauweise (BSWF)), gibt es mit Blick auf die Eigenschaften des Baugrundes keine vergleichbaren Prüfungen für die getesteten Systeme. Die Baugrundeigenschaften im Institut werden i.d.R. nur in Intervallen von >= einem Jahr geprüft (!). Art und Umfang der Prüfungen der Baugrundeigenschaften beinhalten weitere Unklarheiten; da die verwendeten Prüfungen keinen direkten Rückschluss auf das Leistungsverhalten der Böden für ein FRS zulassen. Hiervon betroffen sind im Wesentlichen die gerammten Stahl-Schutzplanken sowie BSWF mit einer Baugrundverankerung. Eine Übertragbarkeit von im Baugrund verankerten Systemen ist aus diesem Grund nicht pauschal möglich. Hier wären zwecks Vergleichbarkeit und Übertragbarkeit geeignete Prüfverfahren für jedes System angebracht, sogenannte Push-Pull Versuche für die EN 1317 Prüfungen sowie für die Installationen in der Praxis könnten hier ein erster Schritt sein, um die Vergleichbarkeit der ermittelten EN 1317 Leistungen zu ermöglichen.
Für Betonschutzwände ist der physische Kontakt zur Unterlage elementar für die Leistungsfähigkeit; hierüber wird maßgeblich der Widerstand gegen ein seitliches Verschieben beim Anprall definiert. Die zu stellende Frage ist dabei, welcher Unterschied besteht zwischen der Unterlage in der EN 1317 Prüfung zur jeweiligen Praxis Installation? Hier gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen den BSWO und den BSWF. Während die BSWO herstellungsbedingt immer einen 100%-igen Kontakt zur Unterlage garantieren kann, stehen BSWF in der Praxis durch die Unebenheit der Unterlage nur auf zwei oder maximal drei Punkten auf. Hierdurch wird die Leistungfähigkeit potentiell beeinträchtigt und eine Übertragung der Leistungen aus den Typprüfungen ist nicht uneingeschränkt möglich. Auch hier gibt es – wie beim Baugrund – keine Prüfverfahren, welche die reale Unebenheit von derartigen Systemen erfasst und für einen Praxiseinsatz “greifbar” macht. Die ZTV FRS erwähnt diesbezüglich nur eine erforderliche Toleranz von +/- 6 mm auf einer Länge von 4 Metern; hierbei wird die Querneigung jedoch außer Acht gelassen und es ergeben sich zusätzliche Unsicherheiten. Weiterhin wird auch die Element-Länge der jeweiligen BSWF nicht berücksichtigt; hier wird die Unsicherheit der Übertragbarkeit von Leistungseigenschaften mit zunehmender Elementlänge konstruktionsbedingt erhöht; zudem stellen sich dann zusätzliche Biegespannungen ein, welche das Systemverhalten zusätzlich beeinflussen können.
Der Einsatz vor abfallenden Böschungen ist für baugrund-verankerte FRS eine große Herausforderung. Diese Systeme (Schutzplanken, BSWF) können in derartigen Randbedingungen nicht automatisch die Leistungen aus den EN 1317 Prüfungen leisten. Systeme auf gebundenen Unterlagen mit 100% Kontaktfläche zur Unterlage (BSWO) können hier sicher die EN 1317 Ergebnisse abrufen. Bei allen anderen Systemen besteht Unsicherheit hinsichtlich der wirklichen Leistungsmöglichkeiten.
Werden Systeme in der Unterlage eingespannt, ist es auch dabei wichtig, eine durchgehende, lückenlose Verbindung des Systems mit der Unterlage sicherzustellen. Für BSWO gilt hier das gleiche wie für den Kontakt des Systems zur Unterlage: Die Einspannung (i.d.R. eine Nut) wird zu 100% gefüllt und Abweichungen in der Nutlage (innerhalb der zulässigen Toleranzen) haben keinen Einfluss auf die Systemleistungen. Für BSWF gilt hier, das der Kontakt zu einer Nutkante niemals durchgehend vorhanden sein kann; diese Problematik vergrößert sich mit der Elementlänge. Nachträglich eingebrachte Verfüllmaterialien sind nicht in der Lage, eine den BSWO vergleichbare 100%-ige Einspannung zu garantieren.
Es bleibt festzuhalten, dass FRS in der Praxis sehr vielen Randbedingungen unterliegen, welche einen Einfluss auf die Leistungseigenschaften haben. Betonschutzwände unterliegen dabei insgesamt betrachtet einem im Vergleich zu den Schutzplanken höheren Prüfungsszenario. Mit den zusätzlichen geforderten Prüfungen für den Ortbeton wird die Sicherheit einer Übertragbarkeit der Leistungseigenschaften in die jeweilige Örtlichkeit maximiert. Ohne eine vergleichbare Installation von Prüfverfahren für die Ebenheit (BSWF) sowie Baugrundeingeschaften (Schutzplanken, BSWF) ist dort eine Übertragbarkeit der EN 1317 Leistungseigenschaften nicht sicher möglich.