Anprallheftigkeit – wie zeitgemäß und aussagekräftig sind ASI und THIV und was ist ein HIC-Wert?

Fahrzeug-Rückhaltesysteme (FRS) werden gemäß den Anforderungen aus dem europäischen Regelwerk EN 1317 getestet und bei erfolgreicher Prüfung zugelassen.

Für Schutzeinrichtungen fordert die EN 1317 für alle PKW Anprallprüfungen unter anderem zwei Kennwerte in Bezug auf eine Bewertung der Anprallheftigkeit auf Fahrzeuginsassen:

  1. ASI (Acceleration severtity index-ohne Einheit)
  2. THIV (Theoretical head impact velocity-in km/h)

Für die Bestimmung der beiden Kennwerte werden 3-axiale Beschleunigungssensoren verwendet, welche im Schwerpunkt eines PKW verbaut werden müssen. ASI und THIV werden über vorgegebene Algorithmen jeweils in Zahlenwerte umgewandelt. In der Praxis dominiert die Diskussion über die Schwere einer Anprallheftigkeit überwiegend anhand des ASI-Werts. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Aussagekraft des ASI – und auch des THIV – in Bezug auf eine objektive Einschätzung einer Verletzungsschwere von Fahrzeuginsassen begrenzt ist, da die Sensoren nicht im Betrachtungsbereich der Einschätzung der Verletzungsschwere platziert sind.

Weltweit hat sich für die Einschätzung von der Schwere einer Verletzung der sogenannte HIC-Wert (Head Injury Criterion = Kopf-Verletzungsfaktor oder Kopfbelastungswert)) durchgesetzt. Der HIC-Wert ist ein anerkanntes Kriterium zur Bewertung von beschleunigungsbasierten Einwirkungen auf den menschlichen Körper. Im Gegensatz zum ASI und THIV werden bei der HIC-Messung die verwendeten Sensoren direkt am Ort der Betrachtung platziert (z.B. im Kopf eines „Crashtest-Dummy“). HIC-Werte unterhalb von 300 werden in der Fachwelt im Allgemeinen als nicht kritisch eingestuft, da in diesem Bereich keine schweren Verletzungen und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch keine bleibenden Schäden zu erwarten sind. Der HIC wird unter anderem auch bei PKW-Neuentwicklungen, simulierten Abstürzen von Personen von Spielgeräten, Arbeitsgerüsten oder bei Anprallen von Fahrzeugen an Fußgänger oder Zweiradfahrer ermittelt.

Die TU Graz hat an einer großen Anzahl von durchgeführten TB11-Fahrzeugprüfungen an Stahlschutzplanken und Betonschutzwänden neben ASI und THIV zusätzlich auch HIC-Messungen im Kopf des verwendeten „Crashtest-Dummy“ durchgeführt. Die Ergebnisse sind insofern sehr aufschlussreich, weil keinerlei Zusammenhang zwischen ASI und HIC festgestellt werden konnte. Anhand der ermittelten HIC-Werte kann sogar argumentiert werden, dass selbst alle ASI C Ergebnisse in Bezug auf eine Verletzungsschwere als unkritisch zu bewerten sind, da die zugehörigen HIC-Werte unterhalb einem HIC-Wert von 300 liegen.

Es bleibt festzustellen, dass insbesondere der Kennwert ASI keine objektive Einschätzung einer Verletzungsschwere von Fahrzeuginsassen bei Fahrzeuganprallen ermöglicht. Der Parameter ist auf den Fahrzeugschwerpunkt bezogen und damit ausschließlich ein Fahrzeug-Schwerpunkt-Kennwert. Die objektive Einschätzung einer Verletzungsschwere erfordert die Instrumentierung von Sensoren direkt im Bewertungsbereich. Bei der HIC-Wert Bestimmung werden Sensoren dort platziert und ermöglichen somit auch eine realistische und objektive Einschätzung einer Verletzungsschwere.

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