Abbildung: Linetech – Lebenszykluskosten für ein Gebäude (schwarze Schrift) nach DIN EN 16627 und den adaptierten Kriterien für eine Bewertung von FRS (grüne Schrift)
Fahrzeug-Rückhaltesysteme (FRS) müssen, um in die technische Übersichtsliste (TÜL) der technischen Kriterien für FRS (TK-FRS) für einen Einsatz in Deutschland aufgenommen zu werden, unter anderem eine Dauerhaftigkeit von 25 Jahren nachweisen. Das bedeutet konkret, dass die anprallgeprüften Leistungsdaten unter normalen, vorhersehbaren Randbedingungen auch über den gesamten Nutzungszeitraum garantiert werden.
Nachhaltigkeit ist ein komplexer Sachverhalt und setzt bei der Betrachtung und Bewertung eines Produkts oder Bauwerks voraus, dass nicht nur die Kosten der Herstellung und Erstinstallation betrachtet werden, sondern dass alle Anteile der gesamten Lebenszykluskosten (LCC-Life Cycle Cost) in der Gesamtbetrachtung berücksichtigt werden. LCC berücksichtigen bei objektiver Betrachtung alle direkten und indirekten Kosten eines FRS in Bezug auf Herstellung bzw. Installation, den gesamten Zeitraum der vorgesehenen Nutzung sowie dessen Rückbau und die Wiederverwertung von Stoffen in eine verfügbare Kreislaufwirtschaft. Die aktuell in der Praxis verwendeten EPD (environmental product declaration) betrachten dabei jedoch in der Regel nur die Herstellung von Produkten; nicht jedoch den jeweiligen Lebenszyklus und / oder die Entsorgung bzw. Wiederverwertung. Welche Aspekte sind also für eine FRS – Gesamtbetrachtung über die gesamte Nutzungsdauer und darüber hinaus für den Wiederverwendungsaspekt relevant?
- Raumbedarf: Je geringer der erforderliche Einbauraum, desto nachhaltiger eine Installation. Leistungsstarke Systeme belegen diesbezüglich die Wirkungsbereiche W1 und W2. Die nachfolgende Grafik zeigt die aktuell in den TK-FRS gelisteten Schutzeinrichtungen der Aufhaltestufe H2 mit einem Wirkungsbereich W1 und W2.
Quelle Abbildung: TK-FRS, Stand 03.03.2022, Datenaufbereitung: Linetech, TÜL gelistete Schutzeinrichtungen H2 mit Wirkungsbereichen W1 und W2
- Verfügbarkeit: Eine der wesentlichen Anforderungen an eine Verkehrsinfrastruktur ist eine möglichst hohe und planbare Verfügbarkeit im Betrieb. Das errichtete System funktioniert nur dann störungsfrei, wenn es auch frei ist von jeglichen störenden Eingriffen wie Wartung oder Reparatur.
- Materialien: Umwelt- und Produktionsstandards, Lieferkettenanforderungen, Produktionsstandorte, Produktionsstandards, Transport zur Installation. Abhängigkeit von Lieferketten, regionale / nationale Wertschöpfung, Wiederverwertung: regional / national / international, Wertstoffkreislauf bzw. Recycling regional / national / international, Road- / Urban Mining Potenzial.
- Produktion / Lieferanten: Regional / national / international, Lieferketten-Abhängigkeiten, Transport-Abhängigkeiten / Lieferunterbrechungen, lieferkettenkonforme Dokumentation, Anzahl der beteiligten Prozesspartner und Vertrauenswürdigkeit / Korrektheit von Lieferkettenzertifikaten.
- Leistungskonformität: Garantie einer Übertragbarkeit und Dauerhaftigkeit der anprallgeprüften Leistungsdaten in reale Installationen erfordert eine gleichwertige Installation zu den Anprallprüfungen – dazu gehört auch die Unterlage. Weiterhin müssen FRS auch in der Lage sein, die vorliegenden Installationsrandbedingungen wie z.B. Bankettneigungen, Bankett Beschaffenheiten oder Witterungseinflüsse in die garantierten und dauerhaften Leistungsgarantie aufnehmen zu können.
- Dauerhaftigkeit: Garantie eines gleichmäßigen und beständigen Systemfunktion über die geforderte Nutzungsdauer bzw. mindestens für 25 Jahre. Diese Anforderung gilt dabei sowohl für das sichtbare FRS “Übertage” als auch für die “unsichtbare” Unterlage unter dem sichtbaren FRS – insbesondere dann, wenn das FRS in einer Unterlage eingespannt, verankert oder eingerammt ist.
- Unterlage: Unterlagen sind immer Bestandteil eines FRS. Es wird unterschieden in gebundene Unterlagen (i.d.R. Asphalt oder Beton) und ungebundenen Unterlagen (anstehendes Erdreich oder im Zuge der Baumaßnahme aufgebautes Erdstoff- bzw. Baustoffgemisch). Mit Blick auf die Installation und der verwendeten Unterlage in realen Installationen ist es elementar, dass eine dauerhafte Gleichwertigkeit der realen Installations-Randbedingungen zu den durchgeführten Anprallprüfungen garantiert wird.
- Investition: Ein FRS ist kein Regalkauf, die Finanzierung muss über die gesamte Nutzungsdauer inklusive der Entsorgung bzw. besser der Wiederverwertung betrachtet werden.
- Wartungsaufwand: Betrachtung über die gesamte Nutzungsdauer: Anzahl der Eingriffe im Betrieb, insbesondere Anforderungen an den Grünschnitt.
- Umweltverträglichkeit: Eintrag von schädlichen FRS-Bestandteilen in das Erdreich oder in unser Grundwasser bzw. unser Trinkwasser.
- Sicherheitsaspekt: Werden FRS nach einem Fahrzeuganprall beschädigt, muss das FRS repariert werden und es verliert die anprallgeprüfte Leistungseigenschaften. Bis zur Reparatur entsteht eine Sicherheitslücke, da die anprallgeprüften Leistungsdaten nicht mehr garantiert werden können. Wird die Reparaturstelle zudem nicht fachgerecht abgesichert, entsteht bis zur fachgerechten Reparatur ein Streckenabschnitt mit Sicherheitsrisiko.
- Material(ab)nutzung: Regelmäßige Reparaturen bringen regelmäßig Neuware in die Konstruktion, zum Zeitpunkt eines Rückbaus enthalten Systeme mit häufigen Reparaturen damit zwangsläufig auch Bauteile eines durchgängigen Altersspektrums von original installiert bis kürzlich installiert.
- Reparaturanfälligkeit: Anzahl der Reparaturen, System-Restsicherheit nach Fahrzeug-Anprallen, Kosten der Absicherung bis zur Reparatur, Staufolgekosten. Etwa 90 % der Fahrzeug-Unfälle an FRS werden durch PKW und Transporter (“Sprinter”-) Fahrzeuge generiert. Hier punkten Betonschutzwände und insbesondere Ortbetonschutzwände, da EN 1317 Fahrzeugprüfungen oftmals nur an einem einmalig installierten System durchgeführt wurden. Die vielen Farbmarkierungen an installierten Betonschutzwänden unterstreichen das in der Praxis sehr eindrucksvoll. Insbesondere die dynamische Durchbiegung ist dabei ein sehr guter Indikator, um FRS im Betrieb hinsichtlich der zu erwartenden Reparaturen und der Restsicherheit zu bewerten. Die nachfolgende Abbildung zeigt die aktuell in den TK-FRS gelisteten H2 Schutzeinrichtungen mit einer ermittelten dynamischen Durchbiegung von 0,0 m.
Quelle Abbildung: TK-FRS, Stand 03.03.2022, Datenaufbereitung Linetech: TÜL gelistete Schutzeinrichtungen mit Wirkungsbereichen W1 und W2 und Ddyn. = 0,0 m
- Standfestigkeit: Je öfter ein nur einmalig installiertes FRS in einer Anprallprüfung angefahren wurde, desto größer die resultierende Restsicherheit für den Betrieb.
- Restsicherheit: Wird ein FRS im Betrieb angefahren und es entsteht eine plastische Verformung oder Verschiebung, ist das System nicht mehr in der Lage, die anprallgeprüften Leistungsdaten zu garantieren. Unverschieblich anprallgeprüfte Systeme bieten im Regelfall die höchste erreichbare Restsicherheit.
- Betriebsdauer: Fähigkeit einer Verlängerung der Nutzungsdauer über die ursprünglich geplante Betriebsphase hinaus. Beton – insbesondere mit korrosionsgeschützten Bewehrungselementen – sind im Regelfall weit über 25 Jahre hinaus nutzbar.
- Staufolgekosten: Der durch Staubildung entstehende volkswirtschaftliche Schaden wird aktuell noch nicht als Anteil in den Lebenszykluskosten einer Verkehrsinfrastruktur berücksichtigt. In Zukunft wird die Betrachtung von ungeplanten Störungen im Betrieb über die gesamte Nutzungsdauer sehr stark an Bedeutung gewinnen. Mit Blick auf die FRS geht es dabei insbesondere darum, die wiederkehrenden Wartungsarbeiten und die Unfallreparaturen auf ein Minimum zu reduzieren.
- Wiederverwertung: Am Ende der Nutzungsdauer sollten alle verwendeten Produkte und Materialien im Idealfall zu 100 % in einen zertifizierten Wiederverwertungsprozess eingebracht werden. Bei der Betrachtung gewinnen regionale und nationale Wertstoffkreisläufe zunehmend an Bedeutung.
Die Leistungsdaten von FRS müssen die geforderte Dauerhaftigkeit und Leistungskonstanz von 25 Jahren garantieren können; dazu gehören immer auch die FRS – Unterlagen. Eine Verkehrsinfrastruktur basiert auf einem planbaren und ungestörten Verkehrsfluss über die gesamte Nutzungsdauer. Verkehrsinfrastrukturen sollen nach der Erstinstallation somit frei sein von verkehrsbeeinträchtigenden Eingriffen während der Betriebsdauer. Dazu gehört auch, dass alle wiederkehrenden Eingriffe wie zum Beispiel die Grünpflege minimiert werden, um eine möglichst hohe Verfügbarkeit zu erzielen.
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